Frau S., eine Frau Mitte 40, erscheint nach einem kurzen Vorgespräch am Telefon in meiner Praxis. Es gehe um Ihre Mutter, hatte sie angekündigt. Ihre Verzweiflung war deutlich herauszuhören. Alles, was sie sich in den letzten Jahren an Abstand zur Mutter aufgebaut hatte, sei zunichte gemacht geworden. Nun sitzt sie vor mir und macht einen sehr entmutigten Eindruck. Sie habe schon überlegt, diesen Termin abzusagen. Denn eigentlich glaube sie nicht, dass ich ihr helfen kann: Zeitlebens sei die Beziehung zu ihrer Mutter schlecht gewesen. In den letzten Jahren habe sie sich aber gut abgrenzen können. Gegen den teilweise erheblichen Widerstand der Mutter habe sie den Kontakt auf ein für sie vertretbares Maß reduziert. Nun aber, mit dem Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter, sei sie in alte Muster zurückgerutscht. Trotz der im Grunde harmlosen Operation, die anstand, habe sie sich verpflichtet gefühlt, die eigentlich doch rüstige Dame ins Krankenhaus zu begleiten. Und obwohl die Operation gut verlaufen sei, habe sie eine Woche lang täglich einige Stunden bei ihr im Krankenhaus zugebracht – viele Stunden voller Klagen der Mutter über die schlechte Versorgung dort und über die Schmerzen, auf die die Ärzte keine Rücksicht nehmen würden. Mittlerweile liege ihre Entlassung schon einige Wochen zurück, aber an dem schlechten Erholungszustand der Mutter ändere sich nichts. Gegen die Erwartung von täglicher Fürsorge habe sich Frau S. bisher gewehrt. Allerdings besuche sie die alte Dame mindestens vier mal in der Woche, wasche für sie und mache den kompletten Einkauf.
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Dipl.-Psychologe Torsten Wulff: Wenn Wünsche und Abneigungen keinen Ausdruck finden, zerstören innere Konflikte deine Beziehungen
Markus D. ist seit 4 Jahren mit seiner Partnerin zusammen. Erst seitdem gehe es ihm richtig gut, sagt er. In den letzten Monaten jedoch ist etwas sehr Merkwürdiges passiert: Er hat Ekelgefühle gegen bestimmte Geräusche seiner Partnerin entwickelt. Im Besonderen kann er nicht aushalten, ihr beim Essen ‚zuzuhören‘. Dabei esse sie überhaupt nicht unappetitlich. Aber schon die geringsten Kaugeräusche veranlassten unüberwindbare Abneigung, erzählt Markus D. in einem ersten Gespräch mit mir als Paar- und Familientherapeuten. Mittlerweile müsse er des Öfteren den Tisch verlassen, weil er es nicht mehr aushalte. Natürlich könne er seiner Partnerin nicht die Wahrheit sagen, und deshalb entstünden auch bei ihr Irritationen. In den letzten Wochen sei er deshalb immer öfter länger auf der Arbeit um zum Essen nicht zu Hause sein zu müssen.
Nicht selten machen Menschen für sie so unerklärliche Erfahrungen in ihrer Beziehung wie Markus D. Die meisten glauben, mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin über das Störgefühl nicht sprechen zu können. Bei so Manchem setzt sich irgendwann der Gedanke fest, das Störgefühl sei Symptom für das Absterben der Liebe. Andere halten es lange aus, ohne zu merken, wie dabei das Feuer tatsächlich erlischt.