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Lieblose Mütter – undankbare Kinder?

Frau S., eine Frau Mitte 40, erscheint nach einem kurzen Vorgespräch am Telefon in meiner Praxis. Es gehe um Ihre Mutter, hatte sie angekündigt. Ihre Verzweiflung war deutlich herauszuhören. Alles, was sie sich in den letzten Jahren an Abstand zur Mutter aufgebaut hatte, sei zunichte gemacht geworden. Nun sitzt sie vor mir und macht einen sehr entmutigten Eindruck. Sie habe schon überlegt, diesen Termin abzusagen. Denn eigentlich glaube sie nicht, dass ich ihr helfen kann: Zeitlebens sei die Beziehung zu ihrer Mutter schlecht gewesen. In den letzten Jahren habe sie sich aber gut abgrenzen können. Gegen den teilweise erheblichen Widerstand der Mutter habe sie den Kontakt auf ein für sie vertretbares Maß reduziert. Nun aber, mit dem Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter, sei sie in alte Muster zurückgerutscht. Trotz der im Grunde harmlosen Operation, die anstand, habe sie sich verpflichtet gefühlt, die eigentlich doch rüstige Dame ins Krankenhaus zu begleiten. Und obwohl die Operation gut verlaufen sei, habe sie eine Woche lang täglich einige Stunden bei ihr im Krankenhaus zugebracht – viele Stunden voller Klagen der Mutter über die schlechte Versorgung dort und über die Schmerzen, auf die die Ärzte keine Rücksicht nehmen würden. Mittlerweile liege ihre Entlassung schon einige Wochen zurück, aber an dem schlechten Erholungszustand der Mutter ändere sich nichts. Gegen die Erwartung von täglicher Fürsorge habe sich Frau S. bisher gewehrt. Allerdings besuche sie die alte Dame mindestens vier mal in der Woche, wasche für sie und mache den kompletten Einkauf.

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